Anleger hatten es in 2022 nicht leicht: Krieg, Leitzinssprünge, Energieknappheit und Chinas No-Covid-Lockdowns sorgten für Schwankungen bei fast allen Anlageklassen. 2023 sind zwar nicht alle der genannten Probleme gelöst, trotzdem wagen viele Experten bereits einen optimistischen Ausblick. Wir wollen an dieser Stelle einen Überblick zu den vielfältigen Prognosen von Forschungsinstituten, Banken, Volkswirten und Fondsmanagern geben. Auch wenn die Vorhersagen der verschiedenen Experten durchaus stark voneinander abweichen können, lässt sich doch eine Konsensmeinung herauslesen. Und diese sollte Anlegern Mut machen.
„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“, soll schon Mark Twain gespottet haben. Diesen Spott mussten auch viele Volkswirte, Marktexperten und (selbsternannte) Börsengurus ertragen, die zu Beginn des letzten Jahres zu ihren Jahresprognosen befragt wurden. Selten waren die Halbwertszeiten von Börsenvorhersagen und Wirtschaftsausblicken so kurz wie im Krisenjahr 2022. Viele Experten hatten zwar bereits zum Jahresanfang steigende Inflation und höhere Zinsen auf dem Zettel, der Ukraine-Krieg änderte dann aber die wirtschaftlichen Vorzeichen gewaltig. Wenig überraschend lagen die 12-Monats-Vorhersagen ganz überwiegend daneben und waren Anlegern keine wirkliche Hilfe. Doch was bedeutet das für 2023?
Zunächst einmal muss festgestellt werden, dass geopolitische Geschehnisse natürlich auch im aktuellen Jahr einen Einfluss auf die Wirtschaft und Börsen haben könnten. Man denke nur an eine Ausweitung des Ukraine-Kriegs auf weitere Gebiete und Kriegsteilnehmer oder eine Verschärfung des Taiwan-Konflikts. Auf diese Risiken weisen übrigens auch alle Experten ganz offen hin. Entsprechend sollte der Fokus beim Lesen der Marktausblicke auch nicht auf den Jahresendschätzungen für Indizes liegen. Ob der DAX zum Jahresende nun bei 15.500 oder 16.000 liegt, fällt in den Bereich der Spekulation. Auch Fachleute haben keine Glaskugel und so bleibt der Erkenntnisgewinn solcher Aussagen begrenzt. Entscheidender für Anleger ist es, sich ein Bild der allgemeinen Stimmung zu machen und vielleicht auch längerfristige Trends aus den Aussagen herauszulesen. Dabei helfen einige Fragen.
Die zuletzt gefallenen Energiepreise haben am Jahresanfang nicht nur für Euphorie an den Aktienmärkten gesorgt, sondern auch die Inflationsrate zurückkommen lassen. Sollte sich dieser Trend weiter fortsetzen, könnte die Gesamtinflation in den USA und Europa stärker zurückgehen als noch vor wenigen Monaten erwartet. Wichtiger für die globalen Notenbanken bleibt aber die Entwicklung der Kerninflation. Bei dieser werden Preise für Energie und Lebensmittel aus dem betrachteten Warenkorb herausgerechnet. Sollte diese Zahl auf hohem Niveau verharren, könnte dies an sogenannten „Zweitrundeneffekten“ liegen. Dazu zählen höhere Lohnforderungen der Arbeitnehmer oder steigende Mieten, welche sich verstärkend auf die Preise auswirken.
Insgesamt sehen die Fachleute den Höhepunkt der Inflation in den USA und Europa bereits überschritten und sie sollte im Laufe des Jahres weiter sinken. Dass sich die Teuerungsrate in 2023 aber schon in den „gewünschten“ Bereich der Notenbanken bewegt – etwa die ca. 2 Prozent der EZB – halten viele Marktbeobachter für zu optimistisch.
Bei den Leitzinsen ergibt sich global ein sehr differenziertes Bild. Während die Fed und die EZB erst in 2022 begannen, stärker an der Zinsschraube zu drehen, sind viele Schwellenländer bereits mehrere Schritte weiter oder starteten gleich von einem höheren Niveau. In Brasilien liegt der Leitzins beispielsweise bei 13,75 Prozent. Zum Vergleich sehen die 4,5 Prozent in den USA oder 2,5 Prozent im Euroraum geradezu mickrig aus. Bemerkenswert ist in Brasilien auch die vergleichsweise geringe Inflation von zuletzt 5,8 Prozent. Das Land könnte damit eines der Ersten in diesem Jahr sein, welches die Zinsen wieder absenkt. Andere Kandidaten sind Mexiko, Chile, Südafrika und auch unser Nachbar Tschechien.
An den Märkten ist eine erste Zinssenkung in den USA für dieses Jahr ebenfalls schon eingepreist. Dies widerspricht aber (noch) den Aussagen von Vertretern der Fed, die aktuell erst Anfang 2024 von einer Senkung ausgehen. Wer am Ende Recht behält, wird stark von den Konjunkturdaten und der Inflation abhängen. Immerhin hatte Fed-Chef Powell angekündigt, die Zinserhöhungen erst zu stoppen, wenn die Inflation unter das Leitzinsniveau gefallen ist. Prognosen gehen daher derzeit noch von einem Anstieg auf 5 bis 5,5 Prozent aus.
Auch die EZB wird nicht so schnell von weiteren Zinserhöhungen abrücken. So äußerte sich zumindest Christine Lagarde in ihrer Rede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Zunächst müsse die Inflation deutlicher zurückgehen. Dies lässt wenig Spielraum für schnelle Zinssenkungen zu und deutet laut Beobachtern auf insgesamt zwei Erhöhungen im Februar und März hin.
Das bekannte Stimmungsbarometer für Unternehmen in Deutschland, der ifo-Geschäftsklimaindex, ist Ende Januar zum vierten Mal in Folge gestiegen. Positiv überraschte dabei insbesondere die Bewertung der Geschäftserwartungen. Die Unternehmer schauen also durchaus etwas optimistischer in die Zukunft. Der positive Stimmungsumschwung ist damit zwar durchaus nachhaltig, kommt aber auch von einem sehr niedrigen Niveau. Gerade die gesunkenen Energiekosten sorgen für eine spürbare Entlastung der Firmen. Mit einer spürbaren Verbesserung der Situation rechnen die Unternehmer aber wohl erst in den Sommermonaten. Gut, dass die Börsen der Realwirtschaft häufig schon ein paar Monate voraus sind…
China hat sich von der bisherigen Zero-Covid-Politik verabschiedet. Regelmäßige Lockdowns mit Millionen Betroffenen sollten damit erstmal der Vergangenheit angehören. Mit dieser Entscheidung hat sich auch der Ausblick von Marktbeobachtern für das Land deutlich aufgehellt. Auch wenn aktuell noch eine gewaltige Infektionswelle durch China rollt, sieht man an den Börsen bereits die positiven Auswirkungen der Öffnung. In Verbindung mit den günstigen Energiekosten scheint China damit gut für eine rasche Erholung aufgestellt. Die Regierung wird weiter versuchen das Wirtschaftswachstum stark anzukurbeln und insbesondere den wichtigen Immobiliensektor weiter stützen. Eine anziehende Wirtschaft in China würde zudem die Versorgung mit Waren weltweit erhöhen und damit auch bremsend auf die Inflationsraten wirken.
Fazit: Die Prognosen der Marktexperten gehen in diesem Jahr von einer Erholung in den meisten Volkswirtschaften aus. Immer im Verhältnis zu dem desaströsen Jahr 2022! Auch wenn sich viele Marktbeobachter nicht einig sind, wann und wie stark diese Erholung eintreten wird, könnte sich eine Rückkehr an die Aktien- und Anleihemärkte für Anleger in 2023 lohnen. Es bleibt dabei immer zu beachten, dass die Börsen eine Markterholung in der Regel schon vorwegnehmen. Aktien steigen also bereits, bevor die Wirtschaftsentwicklung ihren Tiefpunkt erreicht hat. Dabei sollten sie sich aber nicht von kurzfristigen Rücksetzern in Panik versetzen lassen. Die Weltwirtschaft befindet sich in einem Heilungsprozess, der nicht immer gleichmäßig verläuft.
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Copyright/Quelle/Zuerst erschienen bei: www.netfonds.de
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